Der kleine Drache
(Jahrmarkt in Bad Kreuznach)
In einer alten Stadt, sie wurde Kreuznach genannt, lebte einst ein kleiner, fröhlicher Drache. Dieser drehte jeden Tag zufrieden seine Runden. Er war beliebt und tat keiner Fliege ein Leid an. Außerdem war er zutraulich und konnte sich über viele Kinder freuen, die ihn oft besuchten. Das Leuchten in ihren Augen erwärmte sein Herz.
Der Kleine hatte noch einen großen Bruder, der in einer Höhle lebte und mit Ketten gehalten wurde. Immer wenn sich Menschen in diese Höhle wagten, rasselte er laut damit und stieß Rauchwolken aus. Er wurde den Menschen allerdings nie gefährlich, denn der Zauberer und Herr über seine Höhle hatte ihm verboten, Feuer zu speien. Die meisten Menschen erschraken dennoch und schrien auf, wenn sie ihn erblickten. Kinder griffen ängstlich nach den Händen ihrer Eltern.
Sollten sich unerschrockene Helden jedoch nicht durch den Rauch in die Flucht schlagen lassen, begann er, sie mit Wasser nass zu spritzen. Plötzlich schoss Wasser aus seinem Maul und traf zielsicher auf die Störenfriede. Das machte ihm jedes Mal unbändigen Spaß.
Eines schönen Tages, als der kleine Drache wie gewohnt seine Runden vor der Höhle drehte, geschah es: Ein Jüngling, mit einem Schwert bewaffnet, verfolgte ihn auf einem feurigen Ross. So sehr der Kleine sich auch bemühte, den Verfolger abzuschütteln, Ross und Reiter blieb ihm stets auf den Fersen. Nach einiger Zeit konnte der kleine Drache nicht mehr und wurde langsamer. Dem Verfolger erging es ebenso. Schließlich blieben sie im gleichen Abstand voneinander stehen.
Da sprang der Jüngling von dem Ross und eilte lautstark grölend auf den Drachen zu. Drohend erhob er sein Laserschwert, das er kurz zuvor an der Losbude nebenan gewonnen hatte, und wollte dem kleinen Drachen auf dem Karussell den Kopf abschlagen. Dabei schwankte er leicht, denn er hatte auf dem Jahrmarkt schon zu viel Nahewein getrunken.
Als der große Bruder den kleinen Drachen angstvoll aufschreien hörte, zerriss er seine Ketten in der Geisterbahn und stürmte hinaus. Mit einem gewaltigen Feuerstrahl verbrannte er das Schwert des Jünglings und das halbe Karussell dahinter. Zum Glück kam niemand dabei zu Schaden. Schnell löschte er das Feuer wieder mit seinem Wasserstrahl. Dabei spritzte er den Jüngling zur Strafe von oben bis unten nass. Das Wasser war eiskalt und der Jüngling glaubte, alle Flüsse dieser Welt würden in diesem Moment auf ihn einstürzen. Vor Angst schrie er laut auf und rannte davon.
Inzwischen hatten sich zahlreiche Schaulustige um den Platz versammelt, um das Schauspiel zu beobachten. Alles schrie durcheinander. Jemand rief die Polizei, damit diese die Drachen einsperren sollte, eine Frau rief den Zoodirektor an, denn sie waren die letzten ihrer Art. Es kamen immer mehr Menschen und ein lautes Durcheinander entstand.
Niemand, nicht einmal die beiden Drachen, hatten gewusst, dass in der Geisterbahn eine gute Fee wohnte. Diese hatte alles mit angesehen und blies nun etwas Sternenstaub auf die beiden Drachen, so dass sie sich in leuchtende Sterne verwandelten. Noch ehe die Polizei sie greifen konnte, stiegen sie in den Himmel auf und schauten von oben auf die Erde nieder.
Wer im August richtig hinschaut, kann die beiden Drachen bei Nacht sehen, wie sie als leuchtende Sterne am Himmel zufrieden ihre Runden drehen.